Transparenz und Camouflage

transparenz und camouflage

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Seminar möchte den Transparenzbegriff in einen Horizont jenseits der aktuellen Debatte über Privatsphären im Netzzeitalter lokalisieren. Dabei kommen so unterschiedliche Kontexte wie die Geschichte der Glasarchitektur, Landschaftsgestaltung, Mikrophysik und hermetische Literatur zur Sprache. Die Moderne ist eine Geschichte der Transparenz, der Aufhebung von Grenzen und der Durchsichtigkeit privaten Lebens. Es gibt kaum noch unzugängliches Terrain in der Welt, alles ist fotografiert, auf Google Earth zu studieren, in einer Tagesreise erreichbar. Seit die Aufklärung die Durchleuchtung aller Dinge auf ihre Fahnen schrieb, ist die menschliche Existenz radikal reformiert worden. Vom Röntgenbild bis zur Genanalyse hat die Medizin Mittel gefunden, durch die genaue Kenntnis der Körper individuelles Leben zu verlängern. Das moderne Hygienebewusstsein bewahrt uns vor Keimen, die Chemie vor Ungeziefer, die Psychoanalyse vor Neurosen. Demoskopie, Statistik und McKinsey sorgen für weitgehende Normierung von Ausbildungsverlauf, Betriebsgestaltung und Karrieren, die Börse gibt in Realzeit Einblick in den Minutenwert von Unternehmen. Die Erforschung individuellen Lebens und die Optimierung des Bruttosozialeinkommens sind kaum noch voneinander zu trennen.

Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich das Seminar mit den durch das Transparenzaxiom entstandenen Verlusten. Kritische Gegenbegriffe wie Individualität, Dickicht, Camouflage, Geheimnis, Dichtung, Mystik und Romantik spielen eine Rolle. Gibt es Reize oder ganze Lebensformen, die mit Netzkommunikation und Facebook verloren gegangen sind? Welche undurchsichtigen Räume gilt es zu schützen oder wiederaufzubauen? Legen wir noch Wert auf so etwas wie “Innerlichkeit”, auf eine private Gedanken- und Gefühlswelt, die dem Aufklärungsbegehren widersteht? Wie sieht Design aus, das nicht auf Transparenz setzt, und wann ist es sinnvoll?

Foucault, Überwachen und Strafen

Prof. Dr. Ingeborg Harms / Raum 208 / Donnerstag 15-18 Uhr

credits: REUTERS/Damir Sagolj