Hyunjeong Kim

 

Sitzen und Emotionen – der Stuhl als Medium für zwischenmenschliche Interaktion | Master 2018

Stühle – ob wir essen oder arbeiten, ob im Auto oder im Bus, ob wir uns ausruhen oder auf etwas warten: Am Ende jedes Tages werden wir auf verschiedenen Stühlen gesessen und diverse Aktivitäten mit und auf ihnen verrichtet haben. Abhängig von der Kultur und der Lebensumwelt gestaltet sich Sitzen anders; je nachdem, ob auf dem Boden, auf dem Sitzkissen, oder doch auf dem Stuhl: Das Sitzen ist für das menschliche Leben von wichtiger Bedeutung.

Wie groß ist die Bedeutung des Sitzens aber tatsächlich für uns?  Wie sitzen wir? Wie sitzen andere? Wie sitzen wir alleine oder in der Gruppe? Wie regen sich unsere Emotionen dabei? Diese verschiedenen Fragen führen meine Masterarbeit an.

Theoretisch bietet sich beinahe überall die Möglichkeit zum Sitzen: Auf dem Boden, einer Treppe, dem Schreibtisch, auf der Fensterbank; und dennoch entscheiden wir uns oftmals für einen Stuhl wenn er da steht. Dabei entscheiden wir uns je nach Situation für eine andere Art von Stuhl und treffen dabei unsere Entscheidung anhand der möglichen Sitzpositionen, die uns jeweils angeboten werden. Hierin erkennen wir das Ausmaß in dem dieses Möbel auf uns Einfluss nimmt: Nicht nur unterstützt er unseren Körper und erhebt diesen vom Boden; in dem stetigen Kontakt zwischen dem Stuhl und unserem Körper, bestimmt er darüber hinaus sowohl unsere physische Kontur und als auch gleichermaßen unser emotionales Befinden. Er entspannt den Körper indem er unser körperliches Verlangen nach Komfort stillt. Abseits seiner praktischen Funktionen, werde ich mich auf die emotionalen Aspekte konzentrieren, nämlich auf seine Rolle als Träger ästhetischer, symbolischer, wie psychologischer Werte.

Welche Eigenschaften eines Stuhls aber sind es, die unsere Emotionen ansprechen?
Ein schöner Stuhl schafft Wohlbefinden, ein unbequemer Stuhl verärgert uns, ein abschirmender Stuhl verleiht das Gefühl von Privatsphäre. Hierin sehen wir im Ansatz aber verschiedene Arten von Emotionen: Solche, die auf Praktikabilität und Funktionalität basieren, und solche, die uns auf einer Ebene berühren, für die ich noch keinen Begriff gefunden habe.

In dieser letzteren interessieren mich besonders solche Ansätze, die Interaktionen zwischen Menschen fördern oder motivieren. Ich verstehe den Stuhl vor allem als Treffpunkt und möchte meine Gestaltung dahingehend fokussieren, mit dem Stuhl als Medium für Beziehungen und Interaktionen zu arbeiten.

Wie kann so etwas angegangen werden, in der heutigen Welt, wo alltägliche Kommunikation vermehrt digital über Smartphones und Laptops stattfindet?

Für den Anfang werde ich Sitzsituationen planen, die zweien oder mehreren Leuten die Möglichkeit bieten, miteinander in Kontakt zu kommen. Zu diesem Zweck wird mit Körper- und Blickkontakt und Sitz-Spielen experimentiert und verschiedene Konstellationen zwischen Menschen und Stühlen ausprobiert.

Während des vergangenen Semesters habe ich in diesem Sinne drei „Stühle“ entwickelt, die in verschiedenen Formen die kommunikativen Aspekte eines Stuhls ausloten. In diesen Experimenten saßen drei Gruppen von je zwei einander bekannten Personen auf den Stühlen, mit der Instruktion, auf irgendeine Weise miteinander zu interagieren.

Der erste Stuhl gleicht einer Wippe, darin, dass Boden und Sitzfläche nach innen geneigt sind. Durch diese Konstruktion wurde erprobt, inwiefern Körperkontakt zwischen den Sitzenden gefördert werden kann.

Der zweite Stuhl besteht aus einer Konstruktion gleichsam zweier miteinander verbundener Hängematten. Die Sitzenden beeinflussen auf ihm ihre gegenseitige Sitzposition. Auch hier kommen die Probanden über die Ungewohntheit der Situation miteinander ins Gespräch. Hinzu kommt, dass Sitzen auf diesem Stuhl überhaupt erst durch eine zweite Person möglich ist. Als einzelne Person würde die Matte bis zum Boden durchhängen.

Der dritte Stuhl ähnelt in seinem Grundriss zweien Dreiecken, die an ihren Spitzen zusammengeführt wurden. Dieser Stuhl ist direktional und erleichtert Kommunikation dadurch, dass er die Sitzenden einander zuwendet und dadurch eine offenere Körperhaltung anregt. Dank der dreieckigen Sitzfläche bieten sich für jede Person je drei verschiedene Ausrichtungen. Jeder kann demnach entscheiden, in welche Art von Beziehung (oder Nicht-Beziehung) er oder sie mit anderen treten möchte.

Diese Experimente haben vor allem gezeigt, auf welche Arten und Weisen Stühle unsere Emotionen und unser Verhalten mit- und zueinander beeinflussen können. Dabei wurde ebenso deutlich, wie unterschiedlich die jeweiligen Probanden die Situationen aufgegriffen und erfahren haben.

Auf diesen Ergebnissen aufbauend, werde ich im nächsten Semester meine Ergebnisse dazu nutzen, eine konkrete Sitzsituation zu konzipieren, die als Treffpunkt für Menschen fungiert, Kommunikation schafft und sie einander näherbringt.