Affekte – Ästhetiken & Politiken der Affizierung

 

In dem Video The Alphabet of Feeling Bad sieht man die Theoretikerin Ann Cvetkovich auf einem zerwühlten Bett umgeben von Tabletten, Taschentüchern und Klamotten sitzen, wie sie über schlechte Gefühle wie Unvermögen, Scheitern oder Scham spricht. Anstatt sie als private Zustände hinter verschlossenen Türen zu halten, werden Depression und Angst hier nicht nur ausgestellt, sondern in ihrer politischen Dimension reflektiert. Anders als in der Geschichte der Philosophie, in der nur die guten Gefühle wie Liebe und Empathie als politisch relevant, die unguten Gefühle aber als privat und ungesellig galten, müssen Affizierungen in der heutigen, neoliberal verfassten Gesellschaft als die eigentlichen Regierungstechniken gelten. Paradigmatisch ist hierfür auch ein anderes Bett: Hugh Hefners Playboy-„Spielwiese“, das Beatriz Preciado als Paradebeispiel des pharmakopornographischen Dispositivs analysiert hat. Auch hier ist die Grenze zwischen privat und öffentlich porös, dient es Hefner doch nicht nur als Ort des Genusses, sondern ist, mit Video-Technik ausgestattet, zugleich Produktionsstätte von Begehren und Affekt.

Was bedeutet es, dass die heutige Biopolitik die Affekte unmittelbar zu regulieren sucht? Wie sind politische und affektive Ökonomien ineinander verschränkt? Und inwiefern können die Künste, die traditionellerweise auf eine Erziehung der Gefühle, eine Differenzierung der Empfindungen und auf Sensibilisierung ausgerichtet sind, in die Politiken der Affizierung eingreifen?

Im Seminar werden neuere Affekt-Theorien erarbeitet und im Hinblick auf die Verschränkung von Ästhetik und Politik, Affizierung und Regulierung diskutiert.

Seminarleitung: Prof. Dr. Kathrin Busch

Kulturwissenschaften, B.A. 5. Semester und Master

Dienstag 14-16 Uhr, Raum 207

 

Literaturhinweise:

Marie-Luise Angerer, Affektökologie, Lüneburg 2017.
Angelika Baier et al. (Hg.), Affekt und Geschlecht. Eine einführende Anthologie, Wien 2014.
Käthe von Bose et al. (Hg.), I is for Impasse. Affektive Queerverbindungen in Theorie–Aktivismus–Kunst, Berlin 2015.
Ann Cvetkovich, Depression. A public feeling, Durham 2012.
Gilles Deleuze, „Wunsch und Lust“, in: ders., Schizophrenie und Gesellschaft, Frankfurt a.M. 2005, S. 117-128.
Brian Massumi, „Autonomy of Affect“, in: Cultural Critique, No. 31 (1995), S. 83-109.
Herbert Marcuse, Triebstruktur und Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1982.
Otto Penz, Birgit Sauer, Affektives Kapital. Ökonomisierung der Gefühle im Arbeitsleben, Frankfurt a. M. 2016.
Beatriz Preciado, Pornotopia. Architektur, Sexualität und Multimedia im ›Playboy‹, Berlin 2012.
Jean-Paul Sartre, Skizze einer Theorie der Emotionen (1939), in: ders., Gesammelte Werke. Philosophische Schriften I. Band 1. Reinbek bei Hamburg 1994, S. 255-321.
Baruch Spinoza, Ethik, lat./dt., Hamburg 1999.
Bernard Stiegler, Hypermaterialität und Psychomacht, Berlin/Zürich 2010.
Bernhard Waldenfels, Bruchlinien der Erfahrung, Frankfurt a. M. 2002.