Sarah Effenberger

 

Tugend // 2014 // Bachelorarbeit Modedesign

„Es gab immer eine Fassade, und hinter der Fassade gab es immer eine zweite, eine etwas realistischere Moral.“
(Harald Martenstein, Die Zeit)

Für meine Abschlusskollektion war ich auf der Suche nach Tugendhütern und deren aktueller Präsenz und Existenz. Woran erkennen wir heute tugendhafte Personen und was bedeuten Tugenden noch in einer Gesellschaft, die zu immer größerer Transparenz tendiert? Hervorragende Eigenschaften und eine vorbildliche Haltung brachten damals dem Tugendträger, wie dem Ritter, Lob und Bewunderung ein. Die Menschen heute bewegen sich jedoch in digitalen Welten, was sie gläsern werden lässt und ein tugendhaftes Image umso schwerer aufrechtzuerhalten ist. Du sollst keine Geheimnisse haben und du solltest tun, was alle tun und bei all dem wirst du beobachtet. Über soziale Netzwerke wie Facebook kehren wir unser Inneres nach außen. Es wird eine nahezu ununterbrochene Kommunikation von uns erwartet, was zur Folge hat, dass wir nach und nach zu Menschen ohne Geheimnissen werden. Diese Transparenz führt dazu, dass Sein und Schein sich nicht mehr länger voneinander unterscheiden. Die Möglichkeiten des Internets setzen beinahe jede Person und deren alltägliche Handlungen einer nahezu ständigen Beobachtung aus.
Es stellte sich mir die Frage welche Charaktereigenschaften heute noch als erstrebenswert gelten und ob die moralische Bedeutung von Tugend im Wandel steht. Die so mächtig, aber auch heldenhaft wirkenden Statuen vergangener Zeiten, standen unter anderem auch für die tugendhaften Eigenschaften dieser Helden und rühmten ihr moralisches sowie der Norm entsprechendem Handeln. Wie auch bei den Statuen bildet sich bei dem augenscheinlichen Tugendträger eine Patina. Die Oberfläche beginnt zu rosten und die Fassade bröckelt.
Nach unseren heutigen Maßstäben hätten die Ritter, Helden und Tugendträger der Geschichte vermutlich dieser Transparenz und der öffentlichen Meinung nicht standgehalten, denn in der Geschichte gab es immer einen Unterschied zwischen dem offiziellen Leben, der Norm, dem Inszenierten, dem tatsächlichen Leben sowie der Wahrheit.
Lohnt es sich heute überhaupt noch eine Rüstung anzulegen, wenn wir in einer Welt ohne Geheimnisse und mit medialer Überwachung leben? Oder ist es gerade das Kettenhemd, als ein Symbol für moralisch unverwerfliches Verhalten, was uns vor ungewollter Entblößung schützt? Mit dem Zitieren von Freizeitkleidung anstatt der Rüstung des Ritters soll die Ohnmacht aber auch Akzeptanz dieser Transparenz sowie das Annehmen bestimmter moralischer Vorstellungen und Eigenschaften dargestellt werden.

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Betreut von:  Prof. Valeska Schmidt-Thomsen // Prof. Dr. Ingeborg Harms // GD Lars Paschke

// fotos: Bernd Effenberger
// model: Jonathan (Nest)
// hair/ make-up: Annabell Glaubnitz