.
›COGITO‹ // DESIGNTRANSFER 2015
„Mag er im Faktischen, Körperlichen sich immerhin als ein Ding der Unmöglichkeit erweisen, so setzt er durch die Gewährung eines neuen Blickpunktes unsere Fantasie doch in den Stand, ein umfassenderes, eindrücklicheres Tableau der menschlichen Leidenschaften zu entwerfen, als dies irgendeine der Alltäglichkeiten […] je erlauben könnte.“ Mary Shelley: Frankenstein oder Der Moderne Prometheus. 1818.
Transfect Körperbilder
Mary Shelleys Klassiker der Schauerliteratur „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ (1818) gilt in der Literaturwissenschaft als ein erstes Beispiel für Science Fiction. In diesem stehen – anders als in den uns vertrauten Filmen – die geistige Menschwerdung und die verzweifelte Sehnsucht des Monsters nach Akzeptanz im Romanmittelpunkt. Ebendiese Dichotomie finden wir heute in der gesellschaftlichen Forderung nach mehr Inklusion beim gleichzeitigen Ausmerzen jeglicher Devianz durch den Fortschritt und die Anwendung der Pränataldiagnostik. Das Bio-Engineering hingegen sucht weiterhin nach dem „promethischen Lebensfunken“.
Darf ein Trojanisches Pferd ins Kinderzimmer?
Das partiell behaarte Latex-Häschen und das Plüsch- Tierskellett „Pingu“ möchten ebenso wahre Spielgefährten sein. Latex ist eigentlich ein kindgerechtes, da natürliches Material (Naturkautschuk), ruft aber bei uns Erwachsenen als Gatekeeper eventuell ganz andere Assoziationen hervor. Die Vorstellung von frankensteinesque zusammengepuzzelten Kreaturen aus Plüsch-Knochen und Schädeln weckt ebenfalls unheimliches Unbehagen. Dieser psychologische Effekt des Unheimlichen stellt das zentrale Moment der trojanischen List dar: Nach Siegmund Freud „kommt [das Unheimliche des Erlebens] zustande, wenn verdrängte infantile Komplexe durch einen Eindruck wieder belebt werden, oder wenn überwundene primitive Überzeugungen wieder bestätigt scheinen.“ Kinder „leben“ Animismus, unbelebte Dinge erscheinen lebendig und sie schreiben ihnen menschliche Eigenschaften zu. Wenn der Animismus also keine fundamentale Trennung zwischen Mensch und Natur, Mensch und Tier kennt, was ist dann „menschlich“? Wo endet Menschsein? Was sind unsere normativen Vorstellungen, was gilt als deviant, was wird exkludiert?
Das Masterprojekt cogito (lat. „ich denke“) nutzt funktionsfähiges anatomisch-naturwissenschaftliches Kinderspielzeug als trojanisches Pferd, um einen Diskurs über ethische Fragen zum aktuellen Fortschrittstaumel der Bio- beziehungsweise Lebenswissenschaften zu eröffnen.
Betreut von: Marloes Ten Bohmer // KM Hanna Wiesener // Prof. Dr. Kathrin Busch // Prof. Dr. Ingeborg Harms // Prof. Axel Kufus // Prof. Jozef Legrand // Prof. Holger Neumann // Silvia Schüller // Ben Seidel // Dorothee Warning // Veronika Gross
Partner: Naturkundemuseum Berlin // Borchert + Moller (www.borchert-moller.de)
Material: Latex // Kunstfell // Plüsch // Fleece // Flockfasern // Polyamid (PA)
Kontakt: // www.anna-lukasek.de
Cover: Foto © Michael Mann // Styling: Christian Kleemann // Foto © Bastian Beuttel // Source Research: www.teddytassen.se
.
.
›cogito‹ // Rundgang 2015
Mag er im Faktischen, Körperlichen sich immerhin als ein Ding der Unmöglichkeit erweisen, so setzt er durch die Gewährung eines neuen Blickpunktes unsere Fantasie doch in den Stand, ein umfassenderes, eindrücklicheres Tableau der menschlichen Leidenschaften zu entwerfen, als dies irgendeine der Alltäglichkeiten, welche im hergebrachten Rahmen sich abspielen, je erlauben könnte.
.
.
Projekt Vorschlag (2014)
Im Masterprojekt beschäftige ich mich mit pädagogisch-anatomischen Spielzeug. Wesentliche Inspiration dazu ist das unten abgebildete Brathähnchen aus Plüsch der Spielzeugmarke HABA, welches ich meiner Nichte schenkte:
Zunächst wurde das Hühnchen gleichwertig wie andere Kuscheltiere geknuddelt und liebkost – erst mit fortschreitendem Alter wurde es als “solches” erkannt, in den Spielzeugofen gesteckt und “gebraten”. Fasziniert vom kindlichen Erkenntnisprozess und dem Potential einer emotionalen Bindung zu naturwissenschaftlich geprägten Lernobjekten, gilt es tatsächliche Gefährten zu schaffen, die vom Tod und Leben erzählen. Eine weitere wesentliche Sichtweise bei dieser Hähnchen-Geschichte ist die der Erwachsenen: Nicht nur, dass aus unserer Perspektive bereits das Kuscheln mit einem “Lebensmittel” seltsam anmutet, man könnte fast “erschrecken” angesichts der kindlichen Empathielosigkeit seinen geliebten Schmusefreund dem grausamen Tod der Hitze und des Auf(fr)essens zuzuführen. Könnte man unser Empfinden angesichts dieses Vorgangs gar als “unheimlich” bezeichnen?
Mit dem Effekt des Unheimlichen hat sich Freund in seinem gleichnamigen Essay von 1919 auseinandergesetzt. “Das Unheimliche des Erlebens kommt zustande, wenn verdrängte infantile Komplexe durch einen Eindruck wieder belebt werden, oder wenn überwundene primitive Überzeugungen wieder bestätigt scheinen”. Freuds Auseinandersetzungen sowie der Klassiker der Schauerliteratur “Frankenstein oder Der moderne Prometheus” (1818) von Mary Shelley bilden den theoretischen Ausgangspunkt für mein Masterpojekt, in welchem ich “Spielzeug” als Trojanisches Pferd nutze, um eine kritische Position zu formulieren, was wir heute exkludieren und welchen normativen Vorstellungen wir unterliegen. (Stichwort “transfect Körperbilder”)