Interview mit Kai Gerhardt

 

„ICH WERDE MAL SCHAUEN, OB ICH MICH IN ZUKUNFT AUF EINEN MINIROCK FÜR MÄNNER EINLASSEN KANN“

Warum Mode?

Das war ein recht unkonventioneller Weg. Ich habe vorher schon etwas anderes studiert, ein eigenes Café aufgemacht und war im Ausland. Irgendwann habe ich angefangen mich mit Textilien zu beschäftigen. Ich habe irgendwie schon immer etwas mit meinen Händen gemacht. Zu Weihnachten bekam ich dann eine Nähmaschine geschenkt, habe mir einiges selber beigebracht und ausprobiert was so geht. Nach eineinhalb Jahre kam der Punkt wo ich mir gesagt habe, jetzt möchte ich weiter. Auf der einen Seite gab es die Möglichkeit Kurse zu besuchen, bei denen mir von mal zu mal mehr beigebracht wird, auf der Anderen Seite gab es die Möglichkeit der Totalveränderung. Ich wechsle die Stadt, das Metier und finde etwas, das mich anspricht.Eine Freundin von mir hat an der UdK Produktdesign studiert. Von daher kannte ich die Werkstätten und wusste was hier passiert. Als ich sie hier besucht habe, fühlte ich mich einfach wohl.

Worum geht es in Deinem aktuellen Projekt „pur“, das von Prof. Valeska Schmidt-Thomsen und Jana Patz betreut wird?


Ziel ist es, einen minimalistischen Ansatz in der Mode zu finden. Das ist etwas sehr Wichtiges. Viele wollen immer Großes, Lautes und Schreiendes schaffen. Wenn es aber darum geht sich zu reduzieren und etwas Klares und Einfaches zu machen, wird das schon seltener. Es ist eine große Kunst in der heutigen Modewelt den Minimalismus umzusetzen, ohne dass nur ein Sack am Menschen hängt und trotzdem eine Kollektion entsteht, bei der alle denken „Wow!“. In dem Projekt „pur“ versucht jeder für sich den eigenen Ansatz für Minimalismus zu finden.

Und wie sieht Dein Ansatz aus?

Ich bin erst einmal völlig frei an das Thema Minimalismus rangegangen und habe geguckt, welche Künstler es gibt. Spannend fand ich vor allem, in welche Richtung diese arbeiten und was genau sie machen. Aber gar nicht auf der Ebene, dass ich den Minimalismus wissenschaftlich ergründen wollte. Ich wollte vielmehr eine Art Gefühl dafür zu bekommen, was die Leute wollten, was sie angetrieben hat. Im Laufe der Recherche kamen bei mir dann zwei Ansätze, die ich mir vorstellen konnte umzusetzen. Entweder man nimmt ein Kleidungsstück und guckt, was kann ich davon wegnehmen ohne das es ein Nicht-Kleidungsstück wird oder man stellt sich die Frage, was muss ich einem Stück Stoff hinzufügen, damit es zum Kleidungsstück wird? Und für dieses Herangehensweise habe ich mich jetzt entschieden.
Mein Grundansatz über den ich während meiner Recherche gestolpert bin sind fünf Teile aus einer Kollektion von Issey Miyake. Er hat mit 2D-Kleidungsstücken gearbeitet die auf dem Boden auslegbar sind, drei Einschnitte haben und achtundzwanzig Druckknöpfe. Durch die Einschnitte und die Druckknöpfe wird der Stoff zum Kleid. Weil ich es so faszinierend finde, habe ich mich daran orientiert. Am Anfang war sogar das Ziel, eine Kollektion zu machen, die genauso flach am Bode liegen kann. Aber dann habe ich festgestellt, dass ich meinen eigenen Weg gehen muss. Also habe ich mich gegen die „Issey Miyake-Variante“ entschieden. Ich arbeite jetzt mit Rechtecken, die so wenig wie möglich, aber so viel wie nötig Einschnitte bekommen und danach an der Puppe drapiert werden.
Zu Beginn nehme ich nur das Stück mit den Einschnitten, schaue wie es funktionieren kann, ändere etwas und dann falte ich die Schulternaht oder die Brustabnäher. Dann entscheide ich, wo muss eine Naht gesetzt werden, damit es als Kleidungsstück funktioniert.

Verwendest Du auch Reißverschlüsse und Knöpfe oder bedeutet „pur“ für dich, dass du bewusst darauf verzichtest?


Es gab die Überlegung das zu machen. Im Endeffekt habe ich mich noch nicht einhundertprozentig dazu entschlossen was genau kommen wird, aber ich habe bereits bei zwei Teilen einen Reißverschluss eingearbeitet. Denn so ein Detail ist auch sehr charakteristisch.

Du machst auch dieses Mal eine Männerkollektion. Wie stehst Du zum Thema Hosen?


Ich bin in Europa aufgewachsen. Hier wird man geprägt, dass ein Mann eine Hose an hat. Ich bin nicht mehr geprägt, dass eine Frau einen Rock tragen muss, aber andersherum ist es eher untypisch. Ich finde es ansehnlich, vielen Männern steht das, aber bisher konnte ich mich nicht überwinden für einen Mann einen Minirock zu entwerfen. In meinem Hinterkopf schwirrt einfach dieser Gedanke, nein, ein Mann hat eine Hose an. In dieser Kollektion habe ich sogar versucht das zu brechen, denn bei einem Outfit trägt der Mann ein Kleid. Das ist schon mal ein Ansatz.
Wenn man sich die Kollektion von Yohji Yamamoto anschaut, hat man den Eindruck, die Männer würden alle Röcke tragen. Tatsächlich sind allerdings fast überall Hosen darunter, die so gelegt sind, dass es aussieht als wären es Röcke. Ich werde mal schauen, ob ich mich in Zukunft auf einen Minirock für Männer einlassen kann.

Deine aktuelle Kollektion ist komplett in schwarz. Warum?

Beim Thema „pur“ fallen mir zuerst weiß und schwarz ein. Wenn ich mich dann für eines von beiden entscheiden muss, sage ich eher schwarz. Für viele ist zwar eher weiß minimalistisch, aber für mich steht schwarz mehr im Hintergrund. Es ist vielmehr im Verborgenen, es nimmt sich zurück. Weiß ist für mich eher, „Bäm, ich bin da, guckt mich an!“. Das bin auch ich nicht. Und ich möchte mich einfach einbringen. Schwarz ist deswegen für mich mehr „pur“.

// Interview: Jessica Oemisch

// WS 2013/14
// Hauptstudium