INTERVIEW MIT WANDA WOLLINSKY

 

„WENN ICH EINEN FILM DREHEN KÖNNTE, DANN WÄRE DIE KULISSE VOLL MIT HOCHHÄUSERN. PLATTENBAU AN PLATTENBAU UND GENZ GANZ VIELE STRAßEN.“

Du studierst im dritten Semester Modedesign an der UdK. Was interessiert Dich an Mode?

Mode ist ein Kommunikationsmittel nach außen. Das ist so das, woran man alle Leute zuerst klassifiziert, die man eigentlich gar nicht kennt. Mode fasst alles zusammen. Es geht um mehr, als um das was man trägt. Sie spiegelt wieder, welche Filme gerade im Kino kommen, welche Musik man hört oder welche Musik es gerade gibt.

Worum geht es in ‚The Planetary Catwalk’, Deinem Projekt, das von Prof. Marloes ten Bhömer und Franziska Schreiber betreut wird?

Ziel ist es, sich einen Planeten auszudenken. Wie funktioniert der Planet? Gibt es eine extreme Wettersituation? Was kann es überhaupt für einen anderen Planteten geben? Natürlich soll der auch mit dem Planeten, auf dem wir leben irgendeine Verbindung oder eine Ähnlichkeit haben. Für die Bewohner, die auf diesem Planeten leben soll ein einfarbiges Outfit entworfen werden, das nur aus Nessel gemacht wird.

Wie hast Du die Aufgabe für Dein eigenes Projekt interpretiert?

Der Planet heißt Eisenhüttenstadt, wie die erste Planstadt in der DDR. Das habe ich mal in Geschichte gelernt und fand das immer sehr faszinierend. Es gibt eine große Straße, am Ende ist die Fabrik, in der alle arbeiten und an den Seiten der Straße wohnen alle. So in etwa sieht der Planet auch aus. Alle sind gleich, es gibt keine Wünsche, die Bewohner sind einfach nur da und erfüllen eine Aufgabe.

Natürlich ist alles rechtwinklig. Jeder ist in seinem Bereich. Ich, als die Schöpferin dieses Planeten, weiß nicht so genau was die Bewohner machen. Aber ich stelle mir ein großes Gewusel vor, Treppe hoch, Treppe runter. Dann gibt es da Maschinen, die sich bewegen.

Was genau fasziniert Dich an dieser Uniformität?

Ich habe ein bisschen das Gefühl, das junge Menschen sich gerade anfangen sehr zu uniformieren, was vielleicht ein Zeichen von Angst ist. Sie gehören zu der ersten Generation, die völlig planlos ist, sich aber dem Zwang unterlegen fühlt, dauernd irgendwelche Aufgaben erfüllen zu müssen. Man hat alle Möglichkeiten, aber gleichzeitig fühlt man sich als kann man eigentlich nichts machen. Und es ist sicher, sich so anzuziehen, wie es von den meisten Leuten erwartet wird.

Wie kann ich mir Deinen Entwurf vorstellen? Du hast von rechten Winkeln gesprochen, dass Du viel faltest?

Ich versuche alles nur mit rechten- und 45-Grad-Winkeln zu machen. Dafür habe ich angefangen Papier um die Puppe herum zu falten. Der linke Arm soll bewegungslos bleiben, der Träger ist in dem Ärmel gefangen. In der Grundschule hat unser Lehrer uns erzählt, dass die Linkshänder die kreativeren Menschen sind, weil die linke Gehirnhälfte alles blumige und schöne Denken übernimmt, wohingegen die rechte mehr mathematisch ist. Leute, die mit links arbeiten, sind näher an der kreativen Seite. Aus diesem Grund dürfen die Bewohner des Planeten Eisenhüttenstadt nicht mit links arbeiten.
Außerdem ist alles sehr gerade, geometrisch, steif und einschränkend und soll wahrscheinlich knallrot werden – die Farbe des Sozialismus. Dann bedrucke ich den Stoff mit Vierecken, dass wenn man den Stoff faltet, die Bewegung von den Vierecken gezeigt wird. Ich will, das man nicht sieht, das genäht worden ist, das es aussieht, als wäre es nach Plan aus der Maschine ausgestanzt worden, du kannst dir eines nehmen und faltest es dir nur zusammen.
Auch für die Schuhe habe ich schon Vorstellungen. Ich will eine Sohle aus Metall machen, die zwar beweglich ist, sodass man sich gut bewegen kann, aber durch das Metall so einschränkt, das die Füße nicht wirklich abheben können und der Träger somit am Boden bleiben müssen.

Ist Mode für Dich im Kontext Gesellschaft kritisch zu betrachten?

Natürlich ist es ein Mittel sich sozial zu abzugrenzen. Und jedem ist klar, das es eigentlich nicht geht, wie Kleidung produziert wird. Trotzdem denkt man, was kann ich denn machen? Aber ich würde nicht sagen, ich stelle mich hin und kritisiere die Gesellschaft, weil ich dieses „Ich stehe über Euch“ nicht mag. Aber Mode sollte zum Nachdenken anregen. So ist es auch mit meinem Thema.
Und natürlich habe ich mich auch für diesen Planeten entschieden, weil ich das Thema geil finde, mich faszinieren diese sozialistischen Bauten. Wenn ich einen Film drehen könnte, dann wäre die Kulisse voll mit Hochhäusern. Plattenbau an Plattenbau und ganz viele Straßen.

// Interview: Jessica Oemisch

// WS 2013/14
// Hauptstudium