Generatives Ornament | M. Fröhle und E. Vogler

Generatives Ornament
im Porzellan

von Melissa Fröhle und Erik Vogler
Projekt:
Porcelain Reloaded
WS 2014/15

Bei der Bearbeitung von Porzellan spielen chemische Prozesse sowie physische Veränderungen des Materials eine große Rolle. Diese Prozesse sind weit gehend unveränderbar. Jedoch kann bei den Arbeitsabläufen die durch die menschliche Hand geschehen experimentiert werden. Hierzu kamen uns zunächst die Werkzeuge in den Sinn, welche direkt das Material bearbeiten. Es können Oberfläche und Gestalt des Porzellanobjekts verändert werden. Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema ›Porcelain Reloaded‹ beschäftigen wir uns mit dem Medium Porzellan im gesamtgesellschaftlichen Kontext.
Das Beachtliche an unserer Gesellschaft ist das Fördern von Individuen und das Bewähren des Verschiedenen. Das Bestreben des Individuums gilt dem Erfüllen seiner eigenen Moral und Wertevorstellung. Es geht dabei um die Suche nach Identität. In Vielfältigkeit versuchen wir parallel als Gesellschaft zu bestehen. Grundlegend für ein solches Prinzip ist die Demokratie. Durch die untrennbare Verbindung von Demokratie und Individuen wird klar, dass wir auf Unterschiede und Unsicherheiten eingehen müssen. Eben jene Unterschiede sollten auch in massentauglichen Produktionsprozessen wahrgenommen werden. Die Herausbildung des ›Non-intentional Design‹ wird zu einer nicht mehr zu ignorierenden Komponente beim Entwurf von Gebrauchsgebrauchsgegenständen. Entscheidend hierbei ist das Auflösen von Machtverhältnissen sogenannter Gebrauchswertversprechen. Diese Intention, bestimmte Reaktionen und Folgehandlungen durch den Konsum/Gebrauch von Gegenständen hervorzurufen, ist ein veraltetes Konzept und wird als autoritär empfunden.
Im Bewahren unseres Lebensstandards scheinen wir auf die Massenproduktion von Waren angewiesen zu sein. Diese Produktionsweise kollidiert mit unseren Werten und Identitätsvorstellungen. Die Transparenz der Produktion und die darin angewendeten Methoden nehmen eine wichtigere Rolle beim Rezipieren der Produkte ein. Der Ruf nach Alternativen wird zunehmend lauter. Themen wie Customization, Nachhaltigkeit und DIY treten in unserer Warenwelt immer stärker hervor.
Im Prozess der Porzellanherstellung ist die Möglichkeit der Vervielfältigung der immer gleichen Form beachtlich. Welche Rolle spielt die Einbeziehung der ausführenden Handwerker und Arbeiter in der Produktion bei der Generierung der Urform? Definiert sich die ›Gute Form‹ heutzutage nicht vor allem auch an den Produktionsverhältnissen?
Wir sehen die Rolle des Designers darin, mit der aktiven Gestaltung der Urform oder der Entwicklung eines generativen Formfindungsprozesses, einen Möglichkeitsraum für alle weiteren exekutiven Schritte der Produktion zu schaffen. Er sieht die Ausführenden auf gleicher Augenhöhe und rechnet mit einem Einschreiben von eigenen Handschriften bei der Weiterverarbeitung der Urform. Diese Charakteristika, welche der Handwerker in das Objekt einschreibt, definieren wir in unserem Prozess als gewünschtes generatives Ornament. Dies geschieht in ausladenden Bewegungen, welche durch einen Hebel in den Rotationskörper aus Gips übersetzt werden. Es findet eine Art Zoom von einer anfangs sehr groben Idee/Form hin zu einem konkreten Artefakt statt.
Die erste intuitive Form wird in seiner Feinheit anschließend in den Produktionsschritten angepasst. Bis der Raum der Möglichkeiten, zum Raum der plausiblen und schließlich der Raum der anzunehmenden Ergebnisse entsteht. Dieser steht in direkter Verbindung zum handwerklichen Prozess und im Gegensatz zur industriellen Fertigung. Im Gegensatz vollführt eine Maschine die ihr aufgetragenen Aufgaben immer wieder in genau definiertem Rahmen – zu 99,9% perfekt.
Die Varianz beim Handwerk – dem generativen Ornament – sieht hierbei eine höhere Toleranz beim erwünschten Soll. In unserem Entwurf konzentrieren wir uns auf den Prozess der Formgebung, welchen wir als den uns zugetragenen verstehen. Wir fördern durch Distanz zum Objekt einen größeren Möglichkeitsraum der Gestaltung.
Somit sehen wir einen Eingriff in den Produktionsprozess in Anbetracht der Vorgabe eines ›Porcelain Reloaded‹ als notwendig.
Die von uns gestaltete Designmethode nimmt Einfluss auf die Gleichstellung von Handwerk und Design. Produktionsmechanismen werden dabei genauso einer Gestaltung unterzogen wie das Artefakt selbst. Die Rolle des Designers sehen wir hierbei in der Gestaltung eines Aktionsraums in dem im weiteren Verlauf der Produktion ein immer konkreteres Objekt entsteht. In unserem Fall war es die Gestaltung eines Werkzeugs zur Bearbeitung von Rotationskörpern aus Gips – ein traditioneller Bestandteil der Porzellanfertigung. Reloaded.