Die Auswahl scheint immer größer zu werden, das Sortiment stets vielfältiger und das Produkt individueller. Heute liegt es an mir, wenn ich nicht die richtige Jeans finde. Gegeben hätte es sie auf jeden Fall, ich hab sie nur nicht gefunden, zu wenig Zeit oder Geld.
Früher vielleicht konnte man sich über ein zu geringes Angebot beklagen, heute stelle ich mir aber die Frage: Welcher Typ bin ich, was passt zu mir, was nicht und was könnte ich noch haben, das noch besser ist? Bei der Masse an Möglichkeiten kann es passieren, das
ich etwas wirklich gutes für mich entdecke, es jedoch nicht wahrnehme. Schwierig, da eine Entscheidung zu treffen. Letztens im Supermark: Ich laufe an einem Schnäppchenregal-knapp-vorm-Verfallsdatum vorbei und bleibe vor einer leuchtenden Scheibe stehen. Die Tchibo-Ecke wöchentlich aktualisiert, damit sich jeder einmal angesprochen fühlt: Modische Bratpfannenwender mit Edelstahlgriffen und Kaffeebohnen aus echt ehrlichem Handel. Nein, ich suche etwas anderes, doch wo finde ich es?
Heutzutage geht man ja in den Supermarkt und nicht mehr in den Tante Emmer Laden, aus Schulen werden Schulzentren, aus Freiflächen werden Parkplätze, mein Frisör ist ein Franchiser und das Europacenter am Kuhdamm war als erstes cool. So mutlos die Lämmer der Ökonomisierung, so bestimmend ihre Materialisierung. Aha, dort im nächsten Gang gibt es was zum Anziehen. Hemd im Boyfriend-Look! Dabei kam mir der nächste Gedanke: Legt mir der allgegenwärtige „be-creative“ Imperativ nahe, dass eben auch meine „Gender-Rolle“ als komplexe Versammlung widersprüchlicher Sachverhalte ein durchaus neu zu gestaltendes Ding sei? Bin ich bei mir angekommen?! Gute Frage eigentlich. Egal jetzt, ich habe eine andere wichtige Mission, nämlich Haarwaschmittel und Zahn- pasta kaufen. Zunächst einmal, nicht bei mir aber vor dem Regal angekommen, weiß ich gar nicht was ich nehmen soll? Es sind so viele unterschiedliche Mar- ken. Wie bei einer exotischen Inselgruppe möchte jede wunderschöne Sandbank, wie auch die Shampooflasche, als bedeutungsvolle und reizende Unbekannte entdeckt werden. Der Kopf dreht sich von links nach rechts und wieder zurück. Ist es Luxus sich schwer entscheiden zu können? Und warum denke ich auf einmal an Samenbank?
Also ursprünglich ist ja ein Spektrum eine Erscheinung, wie ein Regenbogen. Ich kann ihn zwar sehen aber in seiner Gesamtheit ist er doch sehr unfassbar. Anders gesagt verstehe ich das so: Da die Menschen nur dann sicheren Halt in ihrem Leben finden können, wenn sie versuchen einen Blick für das Wesentliche und Ehrliche zu üben, erscheint mir der Triumph der Variationsbreite sehr zweifelhaft und wohl offenbar eher zu einer sich selbst verzehrenden Leidenschaft zu werden.
Hand aufs Herz, es ist soweit dem Problem eine andere Zeichnung zu geben: Mist, ich glaube mein Geld reicht nicht für Zahnpasta und Shampoo zusammen, nur für eins von beidem!