BRASILIA WALDEN | GESCHWINDIGKEIT

Wir sollen schneller sein als unser eigener Schatten. Maximale Geschwindigkeit wird in der westlichen Kultur völliger Effizienz gleichgesetzt, ein, so sollen wir glauben, erstrebenswerter Zustand. Wer maximal effizient ist, benötigt für nichts mehr Zeit. Der amerikanische Soziologe und Ökonom, Jeremy Rifkin, schlussfolgert daraus den Wunsch gottgleich zu sein, also einer Unsterblichkeit gleich zu kommen, da wir für nichts mehr Zeit benötigen. Den derzeit wissenschaftlichen Gipfel findet diese Vorstellung in den Versuchen mit dem Teilchenbeschleuniger des CERN in der Schweiz. Protonen werden auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, um sie dann zur Kollision zu bringen. Und wie Paul Virilio, der Denker der Geschwindigkeit, bemängelt, würde dies geschehen ohne zu wissen welche Konsequenzen daraus entstehen können. Der Fortschritt duldet also keine Rücksicht auf die Folgen unseres Handelns. Und so müssen wir mit dem größten anzunehmenden Unfall rechnen, der hausgemachten Produktion eines schwarzen Lochs.
Neben philosophischer Auseinandersetzung und theoretischen Betrachtungen über die Geschwindigkeit
in unserer Gesellschaft sind uns in den Recherchen auch Trends begegnet, die Langsamkeit zelebrieren wollen. Es geht um das Genießen und bewusste Wahr- nehmen. In vielen Bereichen des Lebens ist in unserer Gesellschaft der Wunsch entbrannt sich wieder betont Auszeiten zu nehmen. Ob das Populärpilgern auf dem Jakobsweg oder der Urlaub auf dem Biobauernhof.
Ganze Bewegungen, aus Gleichgesinnten zusammen- gefügt, die oftmals durch die Verbreitung im Internet an Zuwachs erhalten, sind so entstanden. Ein Beispiel ist die Kultur des Slow Food, eine Ernährungsform, die sich vom Anbau der Nahrungsmittel, ihrer Zubereitung bis hin zum Essen durch Langsamkeit definiert.
Auch im Design hat sich eine Sammlung von Produkten etabliert, die sich als Slow Design begreifen und sich der Auswahl der Ressourcen und dem Produkt- nutzen in diesem Rahmen widmen. Den Designern ist es hierbei auch wichtig, Spuren von Alter und Zeit bei den Objekten zuzulassen.
Die von unserer Recherche beeinflussten Überlegungen zum Thema Geschwindigkeit haben wir in Objekten thematisiert.
Wir haben uns gefragt, ob Uhren immer punktgenau gehen müssen oder ob dort Freiheiten, Sprünge, grobe Übergänge möglich sind. Wie genau müssen wir die Zeit wissen, um uns wohlzufühlen? Auch der Mensch ist schließlich kein Schweizer Uhrwerk und ein wenig Gelassenheit im Umgang mit zeitlicher Präzision könnte hilfreich sein.
Wir haben Schuhe präpariert, Highheels, die es dem Träger kaum ermöglichen schnell zu laufen, die aber dennoch mit Stollen versehen sind, um optimale Haftung beim Sprint zu gewähren.
Mit der Mischung aus starrem Beton und dem natürlichen Wuchs der Pflanzen haben wir experimentiert. Objekte, die die Spuren der Zeit genau nachvollziehen lassen, die sich in ihrer natürlich gegebenen Geschwindigkeit bewegen. Auch von einer Betonmanschette umringt wächst der Baum in dem ihm eigenen Rhythmus unaufhaltsam weiter.
In Gips haben wir Abdrücke von Fernsehgeräten, Mobiltelefonen und Computerzubehör gegossen. Zurück- geblieben sind fossil anmutende Relikte moderner Artefakten unserer Zeit, die doch schon nach wenigen Jahren so veraltet erscheinen, als wären sie erst kürzlich einer Ausgrabungsstätte vergangener Völker entnommen worden.
Diese schrittweisen Versuche sollten helfen die Ergebnisse unserer Recherchen und unsere eigene Haltung klarer zu definieren und einen über das Semester ent- wickelten Standpunkt zu kommunizieren.