Sang Durci – Gehärtetes Blut
Blut als Nebenprodukt jeder Tierschlachtung ist mit einem negativen Stigma behaftet. Während wir täglich Fleisch und Fisch konsumieren, reagieren viele Menschen auf Blut mit Ekel und Abscheu. Dass es ein Teil unserer Lebensmittelindustrie ist und es damit in großen Mengen zur Verfügung steht, ist in Vergessenheit geraten. Wie können wir dieses Potential nutzen, zur Auseinandersetzung anregen und Tierblut wieder als wertvollen Rohstoff wertschätzen?
In der Alchemie ging es traditionell um den Versuch, scheinbar minderwertige Stoffe in kostbare Materialien zu verwandeln. Die Erinnerung an diese alten Praktiken und Ideen bekommt vor dem aktuellen Hintergrund unserer Ressourcenknappheit und einer stetig wachsenden Menge an nicht abbaubarem Müll neue Relevanz.
Ich habe mich in diesem Projekt dem Rohstoff Blut von zwei Seiten aus genähert: neben der technischen Entwicklung eines neuen Materials, versucht Sang Durci durch die Formsprache außerdem eine Normen-hinterfragende Auseinandersetzung anzuregen.
In einer ersten Materialrecherche stieß ich zunächst auf ein bereits existierendes, aber in Vergessenheit geratenes Rezept. Das 1855 durch den Franzosen Francois Charles Lepage erfundene und patentierte Bois Durci (gehärtetes Holz) ist eine Mischung aus getrocknetem Rinderblut und Sägemehl. Dieser frühe Biokunststoff wurde hauptsächlich in der Fertigung kleinteiliger Schmuckobjekte, wie Broschen, Bilderrahmen und Anhänger verwendet. Bois Durci geriet durch die aufkommende Popularität anderer synthetischer Kunststoffe im letzten Jahrhundert in Vergessenheit.
Ausgehend von dieser Recherche begann ich mit dem Rohstoff Blut zu experimentieren und entwickelte eine neue Rezeptur aus getrockneten Schweineblut und Sägemehl in einem zwei zu eins Mischverhältnis. Das Blutpulver und der fein gesiebte Holzstaub werden hierbei mit Wasser zu einer dickflüssigen Masse vermischt, in eine zweiteilige Gipsform eingestrichen, mit Gewichten im Ofen zu einem Block getrocknet und in Form gepresst. Anschließend trocknet das Material ein bis zwei Tage nach und wird dann in die gewünschte Form gefeilt und geschliffen.
Während des Produktionsverfahrens legte ich besonderen Wert auf eine natürliche Ästhetik, die den Rohstoff Blut nicht verleugnet, sondern ihn vielmehr authentisch zeigt. Sang Durci als Material ist leicht, fest, geruchsneutral und ähnlich wie MDF vielseitig zu verarbeiten.
Die Idee, das Material symbolisch in Form eines Besteck Sets auszustellen, entstand aus dem Wunsch, eine intime Beziehung zwischen Betrachter und Objekt herzustellen, um somit eine möglichst starke Reaktion auf das Material hervorzurufen. Das archaisch anmutende Besteck kann durch diesen Effekt außerdem für eine bewusstere Ernährung sensibilisieren – gerade in Hinblick auf unseren alltäglichen Fleischkonsum.
In diesem Projekt hat mich die Arbeit mit Blut besonders fasziniert, weil es neben den zahlreichen Einsatzpotentialen als Rohstoff zunächst provoziert und herausfordert, denn jeder Mensch hat ein mehr oder weniger emotionales Verhältnis zum Thema Blut. Diese Tatsache macht Sang Durci zu einem Material, dass nicht nur durch seine physische Funktionalität wirkt, sondern durch seinen archaischen Charakter den Betrachter auf einer persönlichen und emotionalen Ebene berühren kann.
Prozess