Erbgut | Masterarbeit 2019
Erbgut – or how I followed and developed an unsuited fetish for the suited man
Es ist kaum zu umgehen, dass Bekleidung als äußerlich sichtbares Merkmal die gesellschaftliche Stellung ihrer Träger markiert. Bis heute ist nämlich die in der französischen Revolution proklamierte Wahlfreiheit der Bekleidung nicht durchgesetzt.
Die Uniform für alle, die von den Sansculotten gefordert wurde, bleibt bis heute unverwirklicht. Stattdessen uniformieren sich die verschiedenen Gesellschaftsgruppen. Demnach können an der getragenen Kleidung auch die verschiedenen Gruppen unserer heutigen Gesellschaft bestimmt werden.
Viele Designer und die Mehrzahl der Konsumenten sind sich einer Meinung: Kleidung entscheidet über die Zugehörigkeit und den Wert eines Menschen und nicht zuletzt wird von ihr auch gerne auf das Innere und auf die Gedankenwelt der Träger geschlossen.
Die Bedeutung der Kleidung ist enorm denn sie ermöglicht nicht nur eine einfache verortung von Menschen in moderne Klassengesellschaften sondern zeigt gleichzeitig deren angebliche Stellung in einer von der Öffentlichkeit akzeptierten soziokulturellen Hierarchie an.
Folgt man dieser Struktur, dann ist der Männeranzug, dieses von Europäer für Europäer entwickelte Kleidungsstuck, immer noch der anerkannteste visuelle Vertreter der bestehenden Strukturen in Gesellschaft und Politik.
Ziel meiner Arbeit ist es, mit anthropologischen Forschungsmethoden und musealen Darstellungstechniken sowie mit 36 Porzellan Skulpturen, einer Videoinstallation und einem gewobenem Seziermodell das in der Allgemeinheit akzeptierte Bild des Anzugs als Indiz für oder gegen den Aufstieg in eine bessere Gesellschaftsschicht in Frage zu stellen.
Durch das Inschaustellen spekulativer Machtsymbole, wird die belehrende Funktion von Museen in Frage gestellt. Immer noch werden Sammlungen ganz bewusst inszeniert, und teilweise chronologisch aufgereiht, um dem Zuschauer ein Gefühl der evolutionären Kontinuität zu vermitteln. Die Anzugshaut wird hier als entscheidendes Stadium einer sozioökonomischen Entwicklung des Gesellschaftskostüms betrachtet: als Organ der Macht.
Das Umkehren von Austellungstechniken und Materialien ermöglicht eine Umkehrung des Blicks.
Es stellt sich die Frage, wie und warum akzeptierte Realitäten kontinuiert und unterstützt werden.
Das Misstrauen der Selbstverständlichkeit.
Erbgut – or how I followed and developed an unsuited fetish for the suited man
This project is the result of a year long research on social and political dynamics inherent to the fashion industry. My thesis develops around the question of power and accepted structures that crystallise into garments and clothing cultures.
Main focus of the exhibition is the male suit in its contemporary appearance. The suit is still today a symbol of power and it is undeniable how important such garment is to create a certain social and political hierarchy.
I am working towards the analysis and the critical observation of such hierarchies by dismantling the suit in its single components.
The project will thus put the suit into a different point of view and challenge the observer to question not only how we have been taught to almost blindly accept the seemingly obvious social status of a garment but also how deep and historically charged a piece of clothing can be.
Questions of gender equality and social justice are organically interwoven with the fabric of today’s suit and my exhibition is aiming to unveil and deepen these topics.
Next to 36 porcelain sculptures, a bronze idol and a video installation I am developing a woven anatomical model of the suit. This anatomical suit is developed using techniques historically adopted by anthropologists and aims to create a trompe-l’œil vision in the gallery where it is going to be hung.
the optical illusion will mimic a suit like we know it from everyday’s garments but the materiality and the distortion will evoke a questioning gaze.
Hanging in mid air it will be possible to observe the anatomical speculative suit in its entirety and from every angle. The photorealistic jacquard will remind of luxurious tapestries known from royal traditions where heroic sceneries were gloriously showcased on luxurious wall hangings while the slight distortion of the garment will invite to contemplate the threads such a seemingly obvious garment is pulling in our society.
Prozess
Betreuer:
V. Schmidt-Thomsen, I. Solomatina