11 May – Guest 3: Klemens Grund

KAIROS 3 – OBJECT 3

bring dein Kehrblech
bring your dustpan

Kairos! Was soll das sein, ich muss kurz nachschauen. – Aha! Es geht um den richtigen, den günstigen Augenblick.

Ist das nicht Quatsch? Die Zeit rennt und ich versuche mich darin zurechtzufinden. Die Leute fragen nach den Meilensteinen, nach der Idee, dem Moment der Inspiration. Aber – ist das Leben nicht eher eine Wanderung, da gibt es Meilensteine, an denen komm ich vorbei. Aber die Wanderung ist dazwischen und nicht der Meilenstein selbst.

Oder – geht es um sowas wie eine Überraschungsparty: Ich komme ins Zimmer, das Licht geht an, die Konfetti-Bombe explodiert, die Leute lachen. Also die Welt sehen wie ein Glücksspieler. Nur einmal im richtigen Moment auf das richtige Pferd setzten und alles ist geritzt.

Ich denke an Sir John Franklin, die Entdeckung der Langsamkeit, die Arktis, die Nordwestpassage. Man sagt „der Wind steht günstig“, aber wann steht der Wind günstig? Eben dann wenn er als günstig erkannt wird. Der richtige Augenblick will also erkannt werden. Dazu braucht es Kenntnis von den Umständen und Zusammenhängen. Und diese muss mit den zur Verfügung stehenden Mitteln abgeglichen – und dann in die Zukunft projiziert werden. Dem richtigen Augenblick geht also auch ein Gedanke voraus. Oder Intuition wie beim Taschendieb oder Training wie bei einem Fußballspieler.

Aber wenn es diesen Moment gibt, den Richtigen, was ist dann die übrige Zeit?
Ein warten, ein Vorbereiten, ein Erwarten? Erwartungen die in Erfüllung gehen wollen. Ich erinnere mich an meinen Freund Burkard, der in der Diplom-Nacht von seiner Freundin verlassen wurde. Er sagte: man darf keine Erwartungen haben – außer an sich selbst.


Windhaus, Spiel Nordrhein-Westfalen

On Klemens GRund

Klemens Grund, geboren 1982 im Schwarzwald erlernt den Beruf des Tischlers. 2004 studiert er an der Akademie des Handwerks, Gut Rosenberg in Aachen und schließt dort 2007 ab. Im gleichen Jahr erwirbt er den Meistertitel im Tischlerhandwerk.
2007 bis 2010 arbeitet er als Meisterdesigner in der Schreinerei Brammertz in Aachen. 2010 bis 2013 arbeitet er im Architektur Atelier von Peter Zumthor in Haldenstein. 2014 gründete er sein Designbüro in Köln. Es entstehen Produkte und architektonische Projekte. Seine Arbeiten werden international ausgestellt und publiziert.

Klemens Grund lebt und arbeitet heute in der Schweiz. Er unterrichtet und arbeitet Teilzeit im 3D Studio der Kunstgiesserei St.Gallen.

Ein guter Gebrauchsgegenstand bewährt sich durch seine Konzeption, Funktionalität und Ästhetik. Sein Herstellungsprozess geht weder zu Lasten der Umwelt noch der Menschen. Gebrauchsgegenstände sind für mich, der Soundtrack im Film unserer Lebenserzählung. Sie begleiten uns, berühren uns, laden uns zum träumen ein und haben das Potenzial Freude zu verbreiten. Ich suche eine Produktqualität die dies langfristig leistet. Meine Analyse zur Konstruktion und Machart führt mich zur inneren Melodie – dem Spezifischen. Jene Entdeckung dann nach außen hin sichtbar zu machen ist mein Anspruch – in diesem Sinne bin ich Handwerker.

www.klemensgrund.de


KAIROS 3 – A TALK WITH Dustpan – 31 PARTICIPANTS


zusammenfassung

Klemens Grund // Kairos

Klemens Grund, gelernter Tischlermeister und Designer, der seine Karriere unter anderem bei Zumthor, einem Architekturbüro, machte, beleuchtete in unserem Gespräch die Aspekte der Gestaltung aus vielen Blickwinkeln. Da er aus erster Hand diese beiden Seiten erfährt, die Akademische und die Handwerkliche, war das Gespräch sehr authentisch und aufschlussreich.

Zuerst sträubte er sich ein wenig gegen den Begriff „Kairos“, da er den Weg zum Tischlerberuf eher zufällig eingeschlagen hatte (sein Vater hatte ihm die Lehrstelle vorgeschlagen). Er begreift den Eintritt in die Welt der Gestaltung also nicht also „Hollywood-Moment“, sondern als seine Basis, die Grundlage von der aus alles weiter ging. Die Universität sieht er darüber hinaus nicht (wie die Handwerkerlehre) als einen Ort an dem ein bestimmtes Wissen vermittelt wird, welches man auch anderweitig erlernen kann, sonder als eine „Mut-Maschine“, also einen Ort an dem man den Raum bekommt zu wachsen, Probleme zu bewältigen, etwas zu leisten und sich zu überwinden.
Wahrscheinlich ist es dieser Mix auch handwerklichem Know-How und dem Mut, der zu seinem Gestaltungsstil führt. Er geht oft mit seinem Material und der Technik an die Grenzen des Machbaren, bleibt dabei elegant und schlicht, maximal die handwerklich sehr ausgeklügelten Details schaffen eine Art Ornamentik.
Allerdings sagte er auch, dass er ein eher schlechter Dienstleister ist, denn seine Art ist es, einen Entwurf nicht in einem Rutsch durchzuarbeiten. Er beginnt etwas und muss es eine Weile liegen lassen, um zu artikulieren welches Detail ihn noch stört und wie die Lösung dafür sein könnte, erst dann arbeitet er weiter an dem Entwurf.
Seinen Kairos Moment hatte er auf dem Weg zur Arbeit, wo er mit dem Fahrrad einen Zusammenstoß mit einer älteren Dame an einer unübersichtlichen Stelle hatte. Als Entschuldigung sagte er zu ihr es wäre ja auch eine schwierige Stelle, woraufhin sie erwiderte: „An schwierigen Stellen ist es nun mal schwierig.“ Dieser Satz blieb Hängen und ermutigt ihn, keine Angst vor Herausforderungen zu haben, und das Leben als eine Aneinanderreihung von Versuchen zu sehen, ohne Angst vor der Mühe die Schwierige stellen eben mit sich bringen. Der Kompass dafür sind seine Interessen.

Das Spannungsfeld Handwerker vs. Designstudium-Absolvent ist auch einer, der sich in seiner Zusammenarbeit mit der Handwerker Community „Werkraum Bregenzerwald“ für die „Generation Köln“ im Rahmen der Passagen Interior Design Week Köln auszahlte. Da er mit viel Fingerspitzengefühl und Anerkennung gegenüber dem Handwerk diese Zusammenarbeit mit den Designern zum Erfolg führte. Ihm war es wichtig, die Handwerker nicht nur als Dienstleister für die Designideen einzuspannen, sondern sie mit einzubeziehen, und Bezug nehmen auf ihre Herkunft und ihre Stärken. Hier kann man Bilder der Ausstellung finden.
In der Zusammenarbeit sah er aber auch eine Art Kairos Moment, den man erkennen musste um die Arbeit erfolgreich zu machen. Also das Erkennen der Möglichkeiten, der Stärken und des Kontexts in dem die Zusammenarbeit stattfindet.

Für das Gespräch hat er als Objekt ein Kehrblech mitgebracht. Er erzählte von dem Moment, als er sich ein Kehrblech kaufen wollte und es gab in dem Geschäft nur billig Produzierte Plastik-Bleche, für die er nicht einsah einen überteuerten Preis zu zahlen. Aus diesem Grund beschloss er, sich einfach eines aus Holz selbst zu bauen (einer der Vorteile und Stärken wenn man Handwerker ist). Materialgerechtigkeit, Langlebigkeit und Respekt vor der Natur sind für ihn wichtige Faktoren bei der Gestaltung, was sich nicht nur in seinem Kehrblech widerspiegelt, sondern der Anspruch in allen seinen Entwürfen ist.

Alles in Allem zeigte Klemens Grund nicht nur die Einblicke eines Designers und Handwerkers gleichzeitig, sondern bot uns zugleich noch sehr schöne philosophische Denkweisen, die sehr motivierend waren und sowohl allgemein als auch in speziellen Situationen zutreffend sind.

 

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