Thies Meyer

 

Paradies // 2014 // Diplomarbeit Modedesign

Den Ausgangspunkt meiner Kollektion bilden Elemente aus dem Triptychon »Der Garten der Lüste« des niederländischen Malers der Renaissance Hieronymus Bosch.
Die ersten drei Outfits der Kollektion sind wie ein Prolog zu der Fülle und Intensität des Paradieses, die Welt vor dem Paradies, zu verstehen. Diese Outfits zeigen, wie auch schon in Genesis beschrieben, die Erschaffung der Welt vor der Geschichte der Menschheit. Die Welt soll noch zum Paradies werden. Sie ist hier am dritten Tag des Schöpfungsberichtes ausschließlich von Pflanzen bevölkert. Auch fehlen die Farben, die vor der Erschaffung des Mondes und der Sonne noch nicht an den Tag treten können. Die Pflanzen werden von jenem Dämmerlicht gestreift, welches vor der Erschaffung der Gestirne über der Welt liegt und sich in den Wänden eines gläsern wirkenden Globus bricht.

Das Paradies / Die Vertreibung
Von dem Paradies und der Vertreibung sind Look vier bis acht inspiriert. Öffnet man den Garten der Lüste, so stößt der Betrachter zunächst auf einen vollständigen Kontrast der Malerei. Eine Art Weltlandschaft wird in enormer Farbvielfalt und Detailreichtum dargestellt. Eine symmetrische und somit hyperreale Darstellung einer Fontäne, dem Quell des Lebens beschreibt die Schaffung des Menschen und leitet zum Moment des Paradieses über. Der Höhepunkt des Paradieses, das Optimum an Klarheit und Perfektion wird in der Kollektion ironisch durch einen goldenen Anzug präsentiert. Die Idylle ist jedoch hier, wie in Boschs Darstellung, nicht vollkommen. Denn in der Mitte des »Brunnens, der alles Land bewässerte« lauert bereits die Eule, Boschs vieldeutiger Nachtvogel, der die Unschuld der Szenerie zunichte macht. Sie ist die Ankündigung jener Probe, auf die die Menschheit gestellt wird. Der Sündenfall wird schließlich schon mit dem Verbot, vom Baum der Erkenntnis zu essen, im Paradies angedeutet.
An diesem Punkt entfernt sich die Kollektion von dem Handlungsstrang des Garten der Lüste und geht dazu über, die Perfektion, das Ideal unserer Paradiesvorstellung, zu hinterfragen.
Mit dem Sündenfall muss die Menschheit das Paradies verlassen und als Strafe die Last des Gebärens und das Schamempfinden für den eigenen Körper ertragen. Es ist die Form des nackten Körpers, die auf jenes Ereignis hinweist. Kann die Urform des Körpers, also der nackte Körper folglich dem Paradies gleichgesetzt werden? Ist der nackte Körper die Perfektion, der Wunsch des Menschen? Die Kollektion entscheidet sich aus dem einfachen Grund dagegen, da es ihrem Betrachter, Träger und Gestalter nicht möglich ist, andere Sichtweisen, als die der menschlichen Vorstellung zu berücksichtigen. Daher kann das Schamempfinden und die natürliche Reaktion auf Nacktheit nicht ignoriert werden.
Die Kollektion geht davon aus, dass der Körper ohne die Last, die dem Menschen mit dem Sündenfall auferlegt wurde, hyperreal ist. Der Körper aus Fleisch und Blut, also der nackte Körper spielt keine Rolle. Als Vergleich werden Kleidungsreferenzen aus der Herrenmode der westlichen 1950er Jahre herangezogen. Auch hier ist der Körper in einer Idealform und wird nicht als störend wahrgenommen. Das funktioniert, solange der Mensch im Paradies ist. Nach dem Sündenfall und der Vertreibung aus dem Garten Eden bekommt der nackte Körper Relevanz, da der Mensch beginnt, sich für ihn zu schämen. Er verlangt danach, diesen zu umhüllen und zu schützen.
In den letzten Outfits drängt der nackte Körper osmotisch durch die Schale und hinterfragt die Stärke und Beständigkeit des Anzuges und seines Trägers.

//

Betreut von:  Prof. Valeska Schmidt-Thomsen // Prof. Dr. Ingeborg Harms // GD Lars Paschke

// fotos: Philip Koll
// model: Robbi (tomorrow is another day)
// hair/ make-up: Josephine Gall