Als Moderne bezeichnen wir die Epoche vom Beginn des 19. bis etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Kapitalismus, industrielle Massenproduktion, technologische Innovationen und sozialer Wandel schaffen die Bedingungen für ein zuvor unbekanntes Berufsbild: Design. Wie kann durch Design ein neues Lebensgefühl, ein neues Selbstverständnis, insbesondere auf dem zentralen Gebiet des Wohnens, geschaffen werden? Welche Dinge sollen zu einem verändertes Wohngefühl, zu einer neuen Wohnpraxis anregen und diese durch die jeweilige Formgestaltung auch zum Ausdruck bringen? Die Antworten, die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert auf diese Fragen gefunden werden, sind vielfältig, komplex und widersprüchlich: historistische Gestaltungskonzepte suchen nach Identität in den Dekorstilen der Vergangenheit, die Arts and Crafts-Bewegung findet im Handwerk eine ethische Alternative zur Industrieproduktion, die Einrichtungsgegenstände der Wiener Werkstätte oder das Mobiliar in den Häusern der Künstlerkolonie auf der Darmstädter Mathildenhöhe (um 1900) sollen Ausdruck eines neues Kunstverständnisses sein, das von der sog. Hochkunst auf die angewandte Kunst übertragen wird. Avantgardebewegungen wie De Stijl und das Bauhaus stehen dagegen für einen radikalen Neuanfang, der Funktionalität und universell verständliche Formensprache im Design der Gegenstände zum obersten Ziel erklärt. Die politischen Werte von Universalität, Gleichheit und Kreativität kollidieren allerdings in der Realität mit der Situation der Frauen am Bauhaus. Ihnen wurde an der Schule zwar eine Chance auf Professionalisierung geboten, gleichzeitig stießen sie aber auch hier auf die Grenzen, die ihnen eine traditionelle Geschlechterordnung setzte.
An exemplarischen Fallstudien wie der Ausstattung des Esszimmers im Haus von Peter Behrens in Darmstadt, den Einrichtungsentwürfen Ferdinand Kramers für die Frankfurter Siedlungsbauten und der Frankfurter Küche von Margarete Schütte-Lihotzky soll aufgezeigt werden, wie das Design der Moderne das zeitgenössische Lebens- und Wohngefühl neu konfiguriert und bis heute Nachwirkungen erzeugt hat.
BA 1. Semester, Kultur- und Designgeschichte I für Produktdesign
Dozentin: Dr. habil. Christiane Keim
Zeit: Donnerstags, 14–17 Uhr sowie Freitags, 14-17 Uhr – genaue Termine werden in der ersten Sitzung bekanntgegeben
Raum: 207