BESTECK UND STIGMA I HENDRIK LUCKA I BA 2023

BESTECK UND STIGMA | Bachelorarbeit 2023

Für das Projekt „Besteck & Stigma“ wollte ich mich mit Alltagsgegenständen auseinandersetzen, die alle Menschen benutzen. Da Essen ein grundlegender Bestandteil unseres Lebens ist und so viele verschiedene Sinne miteinander verbindet, aber auch sozial und kulturell einen hohen Stellenwert für Menschen hat, fiel meine Wahl schnell auf dieses Themenfeld.

Die Benutzung von Besteck gestaltet sich aber nicht für alle Menschen gleich. Menschen mit motorischen Einschränkungen haben oft Probleme, herkömmliches Besteck richtig zu greifen und benutzen zu können. Um ihnen die Benutzung von Besteck zu erleichtern, gibt es sogenannte Hilfsmittel, meistens Besteck mit großen Griffen aus Gummi, die das Greifen erleichtern sollen. Diese Hilfsmittel können allerdings meistens nicht in herkömmlichen Geschäften erworben werden, sondern finden sich nur in den Regalen von Sanitätshäusern und deren Online-Shops. 

Während auf der einen Seite zig Entwürfe von Bestecken für jeden Geschmack und Anlass zur Verfügung stehen, ist die Auswahl bei den Hilfsmitteln erschöpfend klein. Auch gestalterisch unterscheiden sich diese Hilfsmittel von herkömmlichen Bestecken. Mittelmäßige Besteckentwürfe werden mit medizinisch anmutenden Griffen kombiniert, womit sie zwar funktionale Kriterien erfüllen mögen, gestalterisch jedoch bei weitem nicht ihr Potenzial ausreizen. Damit wird ein Bild konstruiert, das zwischen Menschen, die herkömmliches Besteck nutzen können, die also der vermeintlichen Norm entsprechen, und solchen, die eben dies nicht können und auf besagte Hilfsmittel angewiesen sind, unterscheidet. Es scheint als hätten nicht alle Menschen das Recht auf bspw. Designer-Besteck – einfach nur weil sie es nicht benutzen können.

In meiner Arbeit versuche ich, diese Grenze aufzulösen. Warum nicht einfach ein Besteck, das beide Gruppen verbindet?

Dafür hab ich mit vielen unterschiedlichen Personen geredet und versucht ihre Bedürfnisse zu erfassen, sowohl Menschen mit, als auch Menschen ohne Behinderung. In meiner Thesis schreibe ich viel darüber, wie wichtig es ist, mit den Menschen zusammenzuarbeiten, für die ein Entwurf entsteht, dem habe ich versucht, so gut es geht zu entsprechen.

Das Ergebnis ist ein Besteck-Set bestehend aus Messer, Gabel und Löffel, dass durch ein Set aus drei verschiedenen Griffen – zwei aus Silikon, einer aus Bronze – ergänzt wird. Die Griffe lassen sich auf die Stiele mit Sechskant-Querschnitt in jeweils 12 Positionen aufstecken und miteinander kombinieren. So soll erreicht werden, das jede*r sich den Griff nach den eigenen Bedürfnissen Konfigurieren kann. Die Silikongriffe, deren Funktionen vor allem eine Griffvergrößerung und verbesserte Rutschhaftung sind, werden durch einen schweren Bronzegriff ergänzt, der neben der Griffvergrößerung vor allem Menschen mit Tremor helfen soll, durch das zusätzliche Gewicht mehr Stabilität in ihre Bewegungen zu bringen. Die Laffe des Löffels ist nahezu rund und kann somit von jeder Position gleich gut benutzt werden, die Kelle der Gabel ist etwas breiter um mehr Fläche zum aufheben von Essen zu bieten.

Mir ist bewusst, dass ein Besteck-Entwurf nicht ausreicht, um die Diskriminierung und Stigmatisierung von Menschen mit Behinderung zu beseitigen. Mir ist auch bewusst, dass es immer noch Menschen geben wird, die das von mir gestaltete Produkt weiterhin nicht benutzen werden können. Es geht in dieser Arbeit auch darum, Diskurse anzustoßen und bestehende Systeme und Verfahrensweisen infrage zu stellen. 

For the project „Besteck & Stigma“ I wanted to deal with everyday objects that all people use. Since food is a fundamental part of our lives and connects so many different senses, but also has a high social and cultural value for people, my choice quickly fell on this topic area.

However, the use of cutlery is not the same for all people. People with motor impairments often have problems grasping and using conventional cutlery. To make it easier for them to use cutlery, there are so-called aids, usually cutlery with large rubber handles, which are intended to make gripping easier. However, these aids can usually not be purchased in conventional stores, but can only be found on the shelves of medical supply stores and their online stores.

While on the one hand there are umpteen designs of cutlery available for every taste and occasion, the choice of utensils is exhaustingly small. Design-wise, these utilities also differ from conventional cutlery. Mediocre cutlery designs are combined with medical-looking handles, which means they may meet functional criteria, but design-wise they fall far short of their potential. This constructs an image that differentiates between people who can use conventional cutlery, who thus conform to the supposed norm, and those who cannot and are dependent on said aids. It seems that not all people have the right to, for example, designer cutlery – simply because they cannot use it.

In my work I try to dissolve this boundary. Why not just make cutlery that connects both groups?

For this I talked to many different people and tried to capture their needs, both people with and without disabilities. In my thesis I write a lot about how important it is to work together with the people for whom a design is being created, which I have tried to do as much as possible.

The result is a cutlery set consisting of knife, fork and spoon that is complemented by a set of three different handles – two silicone, one bronze. The handles can be attached to the handles with hexagonal cross-section in 12 positions and combined with each other. This is to achieve that each one can configure the handle according to their own needs. The silicone handles, whose main functions are grip enlargement and improved slip adhesion, are supplemented by a heavy bronze handle, which, in addition to grip enlargement, is intended above all to help people with tremor to bring more stability to their movements through the additional weight. The spoon’s bowl is nearly round so it can be used equally well from any position, and the fork’s trowel is slightly wider to provide more surface area for picking up food.

I am aware that a cutlery design is not enough to eliminate discrimination and stigmatization of people with disabilities. I am also aware that there will still be people who will not be able to use the product I have designed. This work is also about initiating discourse and questioning existing systems and practices.Medium cutlery designs are combined with
medical-looking handles, which may fulfill functional criteria but fall far short of their design potential. 

Prozess

Betreut durch: Prof. Ineke Hans, Prof. Gesche Joost, KM Anja Lapatsch