MA DESIGN 2015 / 2016

 

Natural Forces | Forced Nature | Nature of Forces

 

Langsam verhallen die Aufrufe zur Beherrschung der Natur – mal aus Ermüdung, mal aus Kapitulation. Oder durch die Erkenntnis, dass ein anthropozentrisches Weltbild auf kurz oder lang zur Entkräftung des Menschen selbst und seiner natürlichen Ressourcen führen wird.

Eine „neue Ökologie“ übernimmt ihren Platz, die die (moderne) kategorische Trennung zwischen Mensch und Natur, Subjekt und Objekt in Frage stellt und die Materie als lebendige, gestalterische Kraft zu begreifen versucht. Belebte Materie, beseelte oder sozialisierte Natur, handelnde Dinge – Phänomene, die als vormodern gelten oder den außereuropäischen Kulturen zugeschrieben wurden, sind heute er- neut virulent und allgegenwärtig in der Kunst, dem Design und unserem hochtechnisierten Alltag.

Welche Potentiale entstehen durch diesen veränderten Blick auf die Dinge und ihre Materialität für die Gestaltung, wenn angenommen wird, dass dem Material selbst eine gestaltende, formgebende Kraft inne wohnt? Wie lassen sich die Netzwerke zwischen Mensch, Artefakten und Natur designen und welche neuen Sozialitäten prägen sie aus? Welche Spekulationen, Fiktionen und Narrationen ergeben sich daraus für den Menschen, wenn Trennungen und Zuschreibungen wie Gender, Herkunft und selbst zeitliche und räumliche Gebundenheit des eigenen Körpers aufgehoben werden?

Für das Produkt- und Prozessdesign bedeutet dieser neue Naturbegriff die Auseinandersetzung mit den Kräften auf verschiedenen Ebenen: Wie lässt sich die Wirksamkeit der Natur gestalten und wo endet ihre Gestaltbarkeit? Wie lassen sich Kräfte auf- und einfangen, um- und weiterleiten, bündeln oder ausbalancieren, in synergetische Wechsel- wirkung bringen? Wie lässt sich zu Schnelles verlangsamen und zu Festgefahrenes in Bewegung bringen? Wie lässt sich mit der Welt arbeiten statt gegen sie? Und wie in der Welt leben statt von ihr? Wie lassen sich Konzepte des Animismus und Fetischismus für die Interaktion zwischen Subjekt und Objekt fruchtbar machen? Und wie lässt sich Eleganz in Wertschöpfung und Teilhabe erzeugen?

Für das Modedesign bedeutet dieser neue Naturbegriff ein Überdenken der Beziehungen zwischen Mensch, Körper, Natur und Bekleidung. Wie sind die Abhängigkeitsgeflechte, wie etablieren sich Notwendigkeiten, wie politisch sind unsere Designentscheidungen? Der mögliche Selbstentwurf des Menschen und der damit zu gestaltenden Natur im Hinblick auf Gender und Körperform sind alltäglich geworden, vom historischen Korsett über Crossdressing bis hin zur plastischen Chirurgie. Die ursprüngliche Schutzfunktion der Bekleidung sieht sich mit neuen Herausforderungen und Umwelteinflüssen konfrontiert. Es verkürzen sich nicht nur die Lebenszyklen von Bekleidung, auch totgeglaubte Modehäuser scheinen die natürliche Grenzen in aufwendigen Wiederbe- lebungsaktionen überwinden zu können. Wie lassen sich Beobachtungen aus diesem wechselseitigen Kräftespiel zwischen Modesystem, Bekleidung und natürlichem Körper in modespezifischen Kommentaren festhalten und wie können sie zu neuen Entwicklungen führen?

Mit dem Masterthema „Natural Forces | Forced Nature | Nature of Forces“ bieten wir den Master-Studierenden ein umfangreiches Forum sowohl für den kulturwissenschaftlichen Diskurs als auch für die experimentelle, konzeptionelle, gestalterische und technische Entwicklung von Objekten, Kollektionen, Produkten, Verfahren und Szenarien.

Die Masterarbeit soll in experimentellen Untersuchungen über diverse Modellstadien prototypisch entwickelt und sowohl methodisch als auch theoretisch reflektiert werden.