2014-2023: Professur Fächergruppen
Lehrstuhl: Kunst + Design
Gestaltung auf Grundlagen der bildenden Kunst – GAGRUBK
Zu meiner eigenen künstlerischen Praxis
Im Mittelpunkt meiner langjährigen, internationalen künstlerischen Praxis als „Reality-Maker ©“ und „Cultural Commuter ©“ steht immer der Mensch und seine kommunikativen Prozesse und die Verhandlung zwischen individueller und kollektiver Identität. Mit dem Begriff „Reality-Maker“ umschreibe ich meine künstlerische Arbeit als Intervention: Ich verändere in entscheidender Weise „Realität“ oder lasse eine ganz neue entstehen. Der Begriff, den ich hierfür entwickelte, des „Cultural Commuters – Kultur-Pendlers“ steht für die Erfahrungen mit unserem mobilen Dasein und dem Versuch, immer wieder am Ort, der veränderlich sein kann, an unserer „Homebase“ also, kommunikative und gesellschaftliche Prozesse individuell zu verarbeiten, zu integrieren und so die eigene Identität auszubalancieren.
Meine Arbeit ist explizit gesellschaftsbezogen und hat eine starke soziale und kommunikative Komponente. Diese Ausrichtung führte oft unweigerlich zu der direkten oder indirekten Inszenierung von Einzelnen bzw. zur Inszenierung des Individuums in seinen sozialen Bezügen, wie zum Beispiel in Kollektiv Performances oder der indirekten Inszenierung mittels „Totalinstallationen“. Unter „Totalinstallation“ verstehe ich Installationen, denen man sich nicht entziehen kann. Es sind Installationen, die die Identität von Einzelnen und Gruppen beeinflussen. Es entsteht ein Raum, der für eine in der Gesellschaft eingebettete individuelle oder kollektive Performance als Matrix funktioniert. Mittels u. a. dieser Arbeiten habe ich meine künstlerische Arbeit in Bereichen weiterentwickelt, die nur noch schwer mit einer klassischen Begrifflichkeit und Vorstellung von „Bildhauerei“, „Skulptur“, „Malerei“, „Zeichnung“ oder „Performance“ zu greifen und zu verstehen sind. Raum wird zu einem Träger und Aktionsmedium für „extended performance- sculptures, painting and filmmaking “.
Raum ist für mich eine sehr wichtige, vermittelnde Instanz von Bedeutung. Werden doch Bedeutungen – auch prozesshafte, im Raum festgehalten und gespeichert. Zugleich besteht jederzeit die Möglichkeit, den Raum zu neuem Leben zu erwecken, zu interpretieren, neue Bedeutungsebenen hinzuzufügen und seine Komplexität zu steigern. Raum und die Gegenstände darin sind Vermittler in einem prozessualen Kultur-Raum–Zeitgefüge.
Auch wenn eine Materialisierung wichtig ist, und ich vertraut bin mit der Formung und Bearbeitung unterschiedlicher Materialien, ist nicht das Material an sich das wichtigste, sondern die Bedeutung, die generiert wird. Nicht ein Medium, eine Gattung, ein Material steht im Mittelpunkt meiner Recherche, sondern Fragestellungen und Haltungen, „Content“ und Bedeutung, die in der jeweiligen Situation ihre Gestalt finden müssen.
Eine bildhauerische Arbeit oder eine Plastik, eine Malerei oder Grafik, muss nicht zwangsläufig am Ende eines Arbeits- und Reflexionsprozesses eine „gegenständliche“ Erscheinungsform haben. Auch seine fotografische Abbildung, seine filmische Erfassung, der Umgang, den wir damit haben oder die Prozesse, die mit dieser Arbeit inszeniert werden, können „das Kunstwerk“ sein.
Mich fasziniert es, aus dem eigenen Handlungsrahmen heraus oder durch die Handlungsrahmen, die ich für andere gestalte, die Strukturen und Eigenheiten von „Realität“ und ihrer spezifischen Konkretisierung zu erforschen.
Es ergibt sich für mich aus dieser Vorgehensweise eine interessante, erweiterte Fragestellung. Können Objekte, Räume und Rituale, die wir entwickeln, zu vermittelnden und kommunikativen Augenblicken werden, für die „Cultural-Commuters ©“, die wir alle geworden sind?
Ich verstehe mich selbst als „Reality Maker ©“ = Realitätsproduzent. Dieser prozessuale Begriff entspricht meinem Verständnis einer künstlerischen Tätigkeit am ehesten. Zugleich deutet er auch darauf hin, dass wir als hochqualifizierte Spezialisten/Innen hinsichtlich der Realitätsmanipulation jenen gegenüber, die nicht den gleichen Kenntnisstand haben, in einer Verantwortung stehen. In ganz besonderer Weise muss man sich dieser Verantwortung bewusst sein, wenn man sich nicht länger im geschützten Kunstraum der Museen und Galerien aufhält, sondern mit seiner Arbeit in die allgemeine Öffentlichkeit geht, wo sie über sehr lange Zeit wirken wird, wenn sie permanenten Charakter hat.
Sprache, Musik, Populärkultur oder politische Ikonografie sind immanenter Teil dieser prozesshaft angelegten Arbeit. Nicht nur das, was man sieht, die Objekte oder Räume, sind die vollführte oder intendierte Arbeit, sondern auch die Prozesse, das Erlebte, die zwischenmenschliche Kommunikation, die sie generieren. Es ist daher für mich oft notwendig, meine künstlerische Arbeit auf einem extrem hohen Niveau offen zu definieren – als Matrix – , damit sie sich letztendlich im immateriellen, kommunikativen Bereich vollführen kann. Schließlich wird dieser Prozess der Kompetenz dem Nutzer, Betrachter, Besucher übergeben, der sie vorübergehend konkretisieren kann. Sie ist mit anderen Worten prozessual angelegt, aus ihrer materiellen Matrix heraus. Dies ist meinem Verständnis nach etwas, das ich als angemessene Antwort auf die Realitätsfrage unserer Zeit verstehe.
Die theoretische Reflektion der eigenen Arbeit in ihrem Kontext war mir immer schon wichtig als Teil des Verstehens der Eigenheit und Intuition, die in den plastischen Arbeiten entwickelt wurden, oder als Formulierung von Herausforderungen, die meine künstlerische Arbeit sich stellt.
Zur Pädogogischen Positionierung:
Mich interessiert im Rahmen meines pädagogischen Konzeptes insbesondere die Befähigung der Studierenden zur weiterführenden Selbstorientierung, zugunsten der individuellen und gemeinsamen künstlerischen Intelligenz und Kompetenz. Dies bedeutet nach meinem Verständnis, auch eine Recherche hinsichtlich der Interpretierbarkeit der einzelnen künstlerischen Medien und der eigenen Arbeit zu betreiben.
Nach meiner Auffassung einer pädagogischen Praxis heißt das in seiner weiteren Konsequenz, Studentinnen und Studenten Kriterien, Methoden und Strategien zu vermitteln, mit denen sie ihre eigene Arbeit in ihren Qualitäten und Möglichkeiten einordnen und selbstbestimmt weiterentwickeln können, sowohl in einem persönlichen Referenzrahmen, als auch in dem der Universität der Künste, im regionalen und internationalen Kunstkontext und nicht zuletzt auch in Relation zu der uns vertrauten Kunstgeschichte.
Unterschiedliche Arbeitsformen sollten deshalb in individueller und projektbezogener Arbeit erprobt werden, ein breites Spektrum an Möglichkeiten erworben und somit der geschützte Freiraum der Ausbildung auch als solcher genutzt werden. Um die kausalen Zusammenhänge und Möglichkeiten von „Realität“ und „Kunst“ zu verstehen, ist es für Studierende erforderlich, eine sowohl systematische als auch experimentelle Ausbildung zu absolvieren.
Da die künstlerische Praxis und ihre Rezeption durch die veränderten Kommunikationsbedingungen und die Mobilität immer internationaler geworden ist, sind Partneruniversitäten sehr wichtig für die Studierenden, damit sie anderweitig vor Ort die direkte Erfahrung mit unterschiedlichen Realitäten und ihrer Perzeption und Reflektion noch während des Studiums sammeln können.
Kunst ist eine spezifische, sinnliche und intellektuelle Prozessform, die Realitätsveränderung reflektiert, indem sie sich in einem sinnfälligen und qualitativen Spannungsverhältnis zu ihr aufstellt. Es ist kein Handwerksunterfangen. Kunst ist keine Wissenschaft, die man erlernen kann und verfügt nicht über unverrückbare, sich nicht verändernde Gesetzmäßigkeiten, die wie ein ewig gültiger Kanon zu entdecken und zu erlernen wären. Ihre qualitative Prozesshaftigkeit kennzeichnet sich gerade dadurch, dass sie eigene Grenzen und Gesetzmäßigkeiten immer wieder hinterfragt und überschreitet. Wir können und sollten von der Kunstgeschichte zur Benennung von Qualität und Sinnfälligkeit lernen, welche objektivierten Kriterien sich in welchen spezifischen Zeit-Raum-Kontexten herausgebildet haben. Jedoch ist es so, dass uns diese Erkenntnisse nicht ermöglichen, eine tragende Antwort zu aktuellen Fragen zu formulieren. Eine solche Antwort muss der Einmaligkeit unserer Zeit gerecht werden, indem sie diesen spezifischen Zeit-Raumkontext spiegelt. Die in der Zeit gültigen Antworten, die unser Vermächtnis an die Zukunft sind, befinden sich im Ungewissen, im nicht abgesicherten Unbekannten. Antworten aus der Geschichte heraus werden auf aktuelle Fragen immer nur eingeschränkte Antworten geben können.
Eine Künstlerin oder ein Künstler hat die Möglichkeit, – in jedem Augenblick jung oder alt, Anfänger oder Generationsreferenz seines Wirkens – eine in dieser Dimension eigene, einmalige Qualität zu entwickeln. Schafft er dies, erreicht seine Arbeit eine Gültigkeit über den Moment hinaus. Jung und Alt können dann in ihrer spezifischen Qualität nebeneinander gestellt werden. Beide werden ihre eigene und komplementäre Geschichte erzählen.
Ich betrachte es als eine Herausforderung für jede künstlerische Ausbildung, eine qualitative Lehre anzubieten, die auch zu Wissenstransfer und zielorientierter Flexibilität und zum zielorientierten Arbeiten allein und im Team auf einem sehr hohen Niveau befähigt. Ich bin der Meinung, dass dies perfekt zur aktuellen künstlerischen Praxis passt, wobei man von vornherein über den eigenen Tellerrand hinausschaut und auch agiert.
Ich gewährleiste aufbauend auf meine langjährige internationale Kunstpraxis an der Schnittstelle unterschiedlichster künstlerischer Diziplinen ein sehr interessantes Lehrangebot bezüglich Grundlagen der Gestaltung auf der Basis der Methoden und Kriterien der bildenden Kunst im Produkt- und Modedesign; Vermittlung grundlegender künstlerischer Methoden, Strategien, Prozesse und Kriterien; Einführung und Vertiefung auf unterschiedlichste Niveaus in zwei- und dreidimensionales Arbeiten; Integration zeitbasierter Medien; Entwicklung künstlerischer Objekt-, Bild- und Medienkompetenz; Reflexion des künstlerischen Arbeitens in historischen, aktuellen und gesellschaftlichen Kontexten und über deren spezifische Möglichkeiten bezogen auf Design.