What If? – Utopien digitaler Körperlichkeit

What If? – Utopien digitaler Körperlichkeit

Entwurfsprojekt
4. Semester

Betreuung:
Prof. Franziska Schreiber,
Prof. Berit Greinke,
KM Magdalena Kohler,
Gast Arantza Vilas

Straße des 17. Juni 118
Projekttage Mo und Di 10-16h
Raum 315

Projektstart:
15. April 2019, 10h

 

Das Besondere in der Mode ist das Arbeiten mit und am Körper. Vor allem nicht mit dem Eigenen, sondern mit dem Körper der “Anderen“. Modedesigner sind so etwas wie Sozialarbeiter für den menschlichen Körper. Wir modellieren. Wir inszenieren. Wir moderieren die Gespräche von Körper und Kleid. Natürlich-imitierend, repräsentativ-konstruktiv, illusorisch-additiv oder -dekonstruktiv.

Digitale Medien ermöglichen, erweitern, vernetzen. Sie haben marginalisierten Körpern eine Plattform gegeben, den Idealkörper von der Bildfläche verdrängt, Diversity Platz gemacht. Körper und Körperbilder sind heute individualisierter denn je und dank neuer Technologien werden Made-to-Measure-Systeme den individualisierten Körpern auch entsprechend passende Kleidung anbieten können. Das ist toll. 

Aber wir begegnen uns immer weniger im Realen. Virtual und Augmented Reality sind längst keine technologischen Modeerscheinungen mehr, sie erobern zunehmend den Alltag und schreiben die Beziehung zwischen Menschen und Technik um. Desozialisierung, Entmaterialisierung, fehlende Resonanz. Abhängigkeiten und Interaktionen von Körper, Raum und Zeit verändern sich. Architektur und Erlebbarkeit von Körperlichkeit verändert sich. Der Philosoph Byung-Chul wähnt den Körper gar ganz in der Krise, weil Vermessung und Quantifizierung des sogenannten Dataismus ihn auf Datensätze reduzieren. Körperlichkeit im Digitalen sei glatt und strukturlos. Der Körper löse sich auf.

In der Tat, die digitale Immersion verwischt die Grenzen zwischen real und irreal, zwischen virtuell und physisch, zwischen materiell und immateriell, zwischen humanoid und technoid: Subhuman – Superhuman – Parahuman. 

Wir Modedesigner gehen in der Regel vom natürlich menschlichen Körper als Zeichenfläche aus. But what if? Was wäre, wenn nicht? Wie wirken virtuelle Körperlichkeiten auf die ästhetische Realität? Und welchen Einfluss haben wir als Modedesigner, wenn wir Virtualität wieder sinnlich erlebbar machen? Lassen sich alternative Proportionen, Volumen und Sinnlichkeiten in fehlenden Wirklichkeiten entdecken? Entstehen jenseits der gewohnten menschlichen Physiognomie neue modische Ausdrucksformen? Eröffnen digitale Techniken ein Spiel- und Experimentierfeld für hypothetische Gestalten, modifizierte Figuren mit alternativer Sensorik? 

In diesem Projekt wollen wir uns der Frage widmen, welche Potenziale digitale Gestaltung und digitale Werkzeuge im modischen Kontext erzeugen können, ob sich andere Formen von Körpern und formalen Charakteristiken finden und zelebrieren lassen. Basierend auf der Recherche und der konzeptuellen Ausein- andersetzung mit einer virtuellen Figur jenseits der gewohnten Menschlichkeit und ihrer kör- perlichen Form soll ein Gestaltungskonzept für zwei Outfits entstehen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der formalen Übersetzung der nicht-humanen Körperlichkeit. Fehlende Wirklichkeiten sollen fantasievoll genutzt werden, um standardisierte Ideale zu hinter- fragen – neue Volumen, Proportionen, materielle Dynamiken und ergänzende Sinn- lichkeiten zu erfinden. Wir werden sowohl neue Technologien erleben und uns mit ihren Mechanismen, ihrer visuellen Sprache und ihren formalen Notwendigkeiten experimentell auseinandersetzen – als auch Mixed-Media und auch ganz analoge Mittel zur Erforschung von Körperlichkeit austesten. 

Teil des Projektes ist das Wochenendblockseminar (4.-6.5.2019) „Interference – Pleated Electronic Textiles“ bei Prof. Berit Greinke und der Textilkünstlerin Arantza Vilas (https://www.pinakistudios.com), und das wöchentlich stattfindende Seminar Stricktechnologie bei Jennifer Rippel. Die in den Seminaren experimentell erarbeiteten Textilien sind integrativer Bestandteil der Umsetzung. 

Zwischenergebnisse des Projektes und der integrierten Seminare sollen zur Langen Nacht der Wissenschaften am 15. Juni 2019 in den Räumlichkeiten des Einstein Centrum for Digital Future (ECDF) gezeigt werden. Die Endergebnisse des Projektes werden auf der Schau19 als kollektiv inszenierte Performance öffentlich präsentiert. Das Projekt soll von intensiven Prozessdokumentationen (Foto, Video) begleitet sein.